Kathy Komplains
...und meckert sich so durch's Leben
Montag, 19. Juli 2010
Am Wochenende habe ich mich endlich dazu durchgerungen, meinen Balkon mal wieder begehbar zu machen. Naja, darauf laufen konnte man auch vorher, nur sitzen wurde schwierig wegen hoffnungslos verdreckten Stühlen. Und darauf aufhalten wollte ich mich eigentlich auch nicht so wirklich. Der vor zwei Jahren verlegte Drainage-Teppich war eine Schnapsidee, wenn ich das mal so sagen darf. Schon bereits im Winter danach wurde er durch Regen und Eis zu einer ekligen Angelegenheit. Und auch der als Sicht- und Katzenschutz gedachte Bambus war weder ansehnlich noch praktisch. Eigentlich hätte das alles also schon im letzten Sommer verschwinden sollen, aber der war ja dann eher selten zum Auf-dem-Balkon-hocken geeignet und so verlief aller gute Wille im Sande. Dieses Jahr scheint es das Wetter aber dann ganz gut mit uns zu meinen und so habe ich mich doch mal aufgerafft. Wirklich schön und glänzend sauber ist er zwar immer noch nicht, aber man kann gemütlich darauf sitzen und die Katzen haben auch mal wieder Abwechslung. Auch, wenn ich wegen einer mangelnden Absperrung noch ein wenig Paranoia habe, dass eine davon im Eifer des Gefechts den Sprung in die Tiefe wagt...

Gestern war es etwas kühl und nach knapp zwei Stündchen an frischer Luft habe ich mich bibbernd nach innen verzogen. Aber heute wurde es wieder so schön warm und muckelig, dass ich mich sogar eher aus dem Büro geschlichen habe, um mich auf dem Balkon zu entspannen.

Aber was ist das? Musik aus dem Gärtchen unter mir. Hm, na gut, ist ja immerhin so grob auch mein Musikgeschmack und ich höre ja auch gern mal Musik. Und außerdem war sie ja eher da und dass ich auf dem Balkon sitze ist auch neu. Da will ich mich nicht gleich unbeliebt machen, indem ich mich über vermutlich lange Jahre gewachsene Gewohnheiten beschwere.

Wenig später folgt dann jedoch noch mehr Musik. Diesmal aus der anderen Richtung. Aus irgendeinem der offenen Fenster an der rechten Seite unseres großen Innenhofes muss die kommen. Grausamster Gangster-Rap. Schon gar nicht mehr so meins und gemixt mit der Musik von unten auch wirklich etwas viel. Beschweren wäre zu umständlich und ich weiß ja auch gar nicht, woher das kommt. Aber gut, es hört eh nach kurzer Zeit auf. Zwar wird die Musik noch ein paar Mal wieder auf- aber gleich auch wieder abgedreht. Vielleicht nur ein rebellierender Teenager...

Gleich darauf höre ich von der anderen Seite aber auch mal wieder "Frau Schreihals" brüllen. Die heißt so, weil sie anscheinend nichts in normaler Lautstärke sagen kann. Vom Hinweis, dass das Essen fertig sei, bis zur Androhung von Schlägen gegenüber ihrer Kinder kann man hier alles live miterleben. Ganz oft schreit sie den Kindern auch entgegen, dass diese nicht so schreien sollen. Konsequente Erziehung. Doch zum Glück scheinen die Kinder heute mal schnell zu gehorchen und ich hab wieder meine Ruhe.

Bis...

Oh nein, irgendjemand nebenan dreht den Fernseher laut auf. Was genau es ist, weiß ich nicht, aber die männliche Stimme klingt nach unendlicher Fröhlich- und Glückseligkeit. Muss also ein Programm für Senioren sein.

Und gleich darauf folgt dann auch eine Sinfonie des Lärms. Hubschrauber drehen über meinem Kopf ihre Kreise. Auf den Straßen rund um unseren Innenhof herum brüllen Menschen sich gegenseitig an. Eine Straßenbahn fährt lautstark vorbei, gefolgt von einem Motorrad. Die Mutter in der Wohnung über mir kündigt lautstark ein spätes Mittag- oder ein frühes Abendessen an, was das Kleinkind mit lautstarkem Gesang feiert. Aus verschiedenen Fenstern kommt Musik, leiser als vorher, aber doch hörbar. Und stetig plätschert der kleine Springbrunnen im Garten unter mir.

Alles formt zusammen einen akustischen Brei, der mir langsam durch die Ohren in den Kopf suppt. Lesen hierbei ist fast unmöglich.

Und ich frage mich, ob es überhaupt möglich ist, dass ich irgendwo in dieser Stadt oder in diesem Land einfach mal nicht die von anderen produzierten Geräusche höre. Und weil das mit dem Lärm ja so ähnlich wie mit dem Web 2.0 ist, wo auch jeder seinen eigenen Blog, sein eigenes Facebookprofil und seine eigene Fotogalerie haben muss, füge ich der Krachsuppe eben auch das leise, aber stetige Klacken meiner Tastatur hinzu, während ich diesen Blogeintrag verfasse.